Stille Reserven (2016)

„Stille Reserven“ ist alles andere als konventionell. Die österreichisch-schweizerische Sci-Fi-Produktion ist ambitioniert, das Thema mutig: in einer dystopischen Zukunft kämpft die Menschheit um ihr Recht auf den Tod. Wer keine Todes-Versicherung abschliesst, dem blüht ein Nachleben als menschliches Rechenzentrum. Angeschlossen an diversen Computern, werden alle Erinnerungen, das gesammelte Wissen und die gespeicherten Emotionen des Verblichenen abgezapft. Bis ins alle Ewigkeit als lebensgrosser USB-Stick vakuumiert, eine solche Aussicht passt natürlich niemandem, der Unterschicht, welche sich keine Todes-Versicherung leisten kann, am allerwenigsten. Sie probt den Aufstand. Anführerin der Rebellen ist die androgyne Lena Lauzemis, welche sich mit dem kaltherzigen Todes-Versicherungs-Verkäufer Clemens Schick unter eine Decke legt, um das System per Mega-Blackout flach zu legen. Tönt spannend. Ist es leider nicht. Nebst der unkonsistenten Cinematography, welche je nach Szene von kühler Gattaca-Ästhetik, über billigste CGI-Kompositionen hin zu mittelprächtigem Tatort-Groove wechselt, ist vor allem die nicht vorhandene Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern problematisch. Ihr amouröses Techtelmechtel ist nicht glaubwürdig und bleibt emotionslos. Dies wohl auch, weil das Drehbuch mit seinen hölzernen Stakkato-Dialogen die Zuschauer zu gleichen Teilen einlullt, wie er sie überfordert. Getreu dem Motto „if you can’t convince, confuse“ befreit Regisseur Valentin Hitz seinen durchzogenen Film damit leider vor jeglicher Dynamik. Wer auch nur ansatzweise einen Hauch Action erwartet, wird masslos enttäuscht. „Stille Reserven“ ist zwar ein lobenswerter Versuch, eine originelle Grundidee zu visualisieren, der Streifen zieht sich aber, trotz einer Laufzeit unter 100 Minuten, endlos in die Läge. Vielleicht wäre eine Todes-Versicherung die Lösung gewesen. (See this if you like: „Gattaca (1997)“ und „Equilibrium (2002)“)

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Operation Avalanche (2016)

Matt Johnson und Owen Williams die Zweite. Nachdem wir im Vorfeld des ZFF bereits „The Dirties“ rezensiert hatten, stand heute mit „Operation Avalanche“ der zweite Streich der kanadischen Filmemacher auf dem Programm. In „Operation Avalanche“ wird die Verschwörungstheorie rund um die möglicherweise gefakten Mondlandung thematisiert. Zwei übermotivierte CIA-Agenten (Johnson und Williams) werden als vermeintliche Dokumentarfilmer bei NASA eingeschleust, um dort einen russischen Maulwurf aufzuspüren, welcher anscheinend die „Apollo 11″-Mission zu sabotieren droht. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Zeitlich auf dem Höhepunkt des kalten Kriegs angesiedelt, überzeugen in „Operation Avalanche“ nicht nur die Requisiten, Kleider und elektronischen Gadgets. Ähnlich wie bereits bei „The Dirties“ wählte Johnson das (preisgünstige) Format der Mockumentary und erzählt mit Handkamera, grobkörnigen Bildern und improvisierten Dialogen die originelle, ambitionierte Story. Eine spannende Nebengeschichte zum Film liefert die eigentliche Produktion. Haben sich doch Johnson und Williams für den Dreh bei NASA eingeschmuggelt und dort ohne offizielle Bewilligung gefilmt. Ausgestattet mit dem Rechtsanwalt, welcher auch schon den Anti-Disney-Film „Escape from Tomorrow (2013)“ aus dem rechtlichen Schlamassel rausboxte, beriefen sie sich auf die Klausel des Fair Use, in welcher bestimmte, nicht autorisierte Nutzungen von geschütztem Material möglich ist, sofern sie der öffentlichen Bildung und der Anregung geistiger Produktionen dienen. Tönt schwammig – hat geklappt. Genau diese Bilder verleihen dem Film eine enorme Glaubwürdigkeit und liefern so eine Verschwörungstheorie zur Verschwörungstheorie. Der Streifen bietet Humor, Drama und ein Quäntchen Paranoia-Suspense und wurde verdient zum Überraschungshit des diesjährigen Sundance Film Festivals. Wir freuen uns schon jetzt auf den dritten Output der beiden Kanadier! (See this if you like: „The Dirties (2013)“ und „Opération lune (2002)“)

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Trivisa (2016)

Hong-Kong-Cinema-Ikone Johnnie To befähigt in „Trivisa“ drei talentierte Jungregisseure (Jevons AuFrank HuiVicky Wong) und lässt durch sie die Geschichte dreier Schwerverbrecher erzählen, deren Wege sich durch Zufall und Pech kreuzen. Eines vorweg: wir haben den Film nicht begriffen und waren, wohl auch durch die verschiedenen Charaktere und überlappenden Handlungsstränge überfordert. Jup, „Trivisa“ hat uns verwirrt. Dadurch, dass sich drei verschiedene Regisseure mit jeweils unterschiedlichen Bildsprachen (1x Komödie, 1x Film-Noir, 1x Action) um den jeweiligen Handlungsstrang eines Verbrechers kümmerten, jeder Ganove von einer eigenen Armada an Polizisten gejagt wurde, welche teils noch korrupt waren, wurde es uns unmöglich gemacht, der Story zu folgen. Kommt der Umstand dazu, dass wir zu weit vorne im Kino sassen und wir uns auf die im Eiltempo abgespulten englischen Untertitel konzentrieren mussten. Der Rest wurde zur Nebensache. Anyway: was wir mitbekommen haben: das Sounddesign sass und anhand der Reaktionen des im Kino anwesenden (chinesischen?) Publikums (es war ja schliesslich ein Hong-Kong-Special-Screening), hat der Film anscheinend gut unterhalten. Da ein Rating unsererseits ziemlich scheinheilig wäre, haben wir im Anschluss an die Kinovorführung einen asiatisch angehauchten Kinogänger gefragt, wie er den Film auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten würde. Hier sein Verdikt:

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Nocturama (2016)

Der sechste Film vom französischen Regisseur/Drehbuchautor Bertrand Bonello schildert 24 Stunden im Leben eines Multi-Kulti-Kollektives aus Teenagern, welches in Paris einen Bombenanschlag durchführt und sich anschliessend in einem Einkaufszentrum verschanzt. „Nocturama“ schildert die Geschehnisse meist linear und voll und ganz aus der Sicht der Jugendlichen. Die erste halbe Stunde des überlangen Streifens (effektiv: 130, gefühlt: 200 Minuten) zeigt wie die bunt zusammengewürfelte Truppe durch die Stadt der Liebe spaziert, jeder einzeln und jeder mit einem unsichtbaren Ziel vor Augen. Handys werden in Mülleimern entsorgt, blockierte Türen geöffnet und Autos umparkiert. Dadurch, dass die Zuschauer anfangs im Dunkeln gelassen werden, baut sich mit diesen Bildern, flankiert von einem pulsierenden Electro-Soundtrack, eine angenehme Grundspannung auf, leider fällt der Film anschliessend komplett flach. Bonello unterlässt es bewusst, den Attentätern ein Motiv zu geben, doch leider bleiben mit diesem Entscheid alle Charaktere belanglos und uninteressant. Erschwerend kommt hinzu, dass die zweite Hälfte aufgesetzt und unglaubwürdig ist. Eingeschlossen in einem Einkaufszentrum schlagen sich die Jugendlichen mit höchst fragwürdigen Tätigkeiten die Zeit tot. Als dann der Film noch mit einem zwar brutalen, aber unglaublich unspektakulären und unvorstellbaren Finale aufwartet, ist das anfangs erzeugte Wohlwollen des Zuschauers gegenüber „Nocturama“ komplett im Eimer. Ein cineastischer Blindgänger. (See this if you like: „Ken Park (2002)“ und „Paranoid Park (2007)“)

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