Compte tes blessures (2016)

„Compte tes blessures“, unter dem englischen Titel „A Taste of Ink“, schildert die Geschichte von Vincent (grandios Kévin Azaïs), dem volltätowierten Frontmann der Band „Seven Day Diary“ und seinem Kampf um die Zuneigung seines Vaters. Nachdem seine Mutter den Krieg gegen Krebs verloren hat, schreit sich Vincent in seiner Post-Hardcore-Band den Frust und die Verzweiflung von der Seele. (Parallelen zum neuen Album von Touché Amoré sind nicht von der Hand zu weisen.) Regisseur Morgan Simon legt aber den Fokus nicht auf die keifende Katharsis, sondern auf die angerissene Vater-Sohn-Beziehung. Als der Vater (Nathan Willcocks) dann noch eine neue Flamme (Monia Chokri) anschleppt, droht die Lage endgültig zu eskalieren. „Compte tes blessures“ ist trotz krachendem Soundtrack („Devil Sold His Soul“, „Circa Survive“ grüssen herzlich) und den brutalen Live-Performances der (fiktiven) Band „Seven Day Diary“ ein gelungener Film über Liebe, Zuneigung und Vergebung. Eine Gratwanderung, welche Morgan Simon erstaunlich gut gelingt. Vor allem die Schauspieler liefern allesamt eindrückliche Arbeit ab. Herauszuheben ist Azaïs, der gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen purer Aggressivität, jugendlichem Schalk und endloser Verzweiflung balanciert. Leider streut das Drehbuch, wiederum von Morgan Simon, gegen Filmschluss die eine oder andere Unlogik ein, doch in seiner Ausführung bleibt „Compte tes blessures“ bis zum Ende konsequent. Gut so. Ein kleiner, feiner Streifen, der nicht nur Postcore-Liebhabern zu empfehlen ist. (See this if you like: „Ex-Drummer (2007)“ und „SLC Punk (1998)“

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Was hat uns bloss so ruiniert? (2016)

Drei befreundete Paare planen mehr oder weniger freiwillig gleichzeitig schwanger zu werden. „Was hat uns bloss so ruiniert?“ wirft einen Blick auf die Auswirkungen von Kindern auf Beziehung, Freundschaft und Selbstbestimmung. Der Film von Regisseurin Marie Kreutzer („Gruber geht“, „Die Vaterlosen“) wird zwar als Komödie vermarktet, die satirischen oder lustigen Momente halten sich aber arg in Grenzen. Das Schauspiel-Ensemble rund um Vicky Krieps („Colonia“, „Hanna“, „A Most Wanted Man“) serviert primär ein Menü bestehend aus aufgewärmten Klischees: auf der einen Seite das Bio-Paar mit Stoffwindeln, Naturgeburt und ausgewogenen Ernährungsplänen, auf der anderen Seite die Eltern wider Willens, welche sich bereits vor der Geburt komplett zerstreiten und dermassen narzisstisch veranlagt sind, dass sie nach der Enttäuschung über das Geschlecht ihres Kindes, aus Trotz der Tochter den Namen Elvis aufbrummen und in der Mitte, das vermeintlich normale Paar, denen die Dauerverantwortung des Elternseins aber komplett über den Kopf wächst. Der Streifen bietet zwar für Eltern ein paar amüsante Deja-Vus (Geburtsvorbereitungskurs, iPad-Invasion beim Kinder-Theater etc.), doch eigentlich sind die Kinder und ihr Umfeld Nebensache. Bei „Was hat uns bloss so ruiniert?“ dreht sich alles um die emotionalen Achterbahnfahrten der Eltern, hauptsächlich um jene der drei Mütter. Die Männer sind nette Nebenausstattung und dienen als Affäre, Koch oder Prellbock. Naja, irgendwie hätte ich mehr erwartet. (Vielleicht einen zweiten „Nackt“?) Der Streifen ist durchaus kurzweilig anzuschauen und liefert ein paar gelungene Gedankenanstösse um mit dem eigenen Partner wiedermal locker flockig zu streiten, doch summa summarum ist der Film belanglos.* Schade. (See this if you like: „Nackt (2002)“ und „Eltern (2013)“)

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‚* der Autor dieses Artikels ist zweifacher Familienvater und vielleicht nur bedingt der Hauptzielgruppe des Streifens zugehörend. 😉

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