Wunderschöner Deprofilm, leicht sarkastischer Deprofilm und massiv hedonistischer Deprofilm. Drei Filme, in welchen auch zum Schluss nichts besser ist. Zeit für den depressivsten Dreier aller Zeiten.

Anomalisa (2015)

Ach Charlie Kaufman, du machst es uns nie leicht. Als Drehbuchautor noch eher auf der marginal kommerzialisierbareren Schiene (Being John Malkovich, Eternal Sunshine of the Spotless Mind ), sind es vor allem seine Outings als Regisseur, die sich mit einer gehörigen Portion Trotz zwischen Stuhl und Bank setzten. Synecdoche, New York brilliert mit einer cineastischen Meta-Glanzleistung. Mehrschichtig, tiefgründig und absolut einzigartig. Bei seinem aktuellsten Film „Anomalisa“ sticht seine unbändige Kreativität und sein Flair für absurde Situationskomik abermals heraus. Nicht unähnlich eines Todd Solondz (Happiness) und eines Ulrich Seidl (Hundstage) zeigt Kaufman in „Anomalisa“ die schmerzhafte, emotionelle Seite des Mensch-Seins. „What is it take make us human?“ fragt der chronisch gelangweilte Protagonist. Vereinsamung, Orientierungslosigkeit und Reue sind dann auch die Themen die den Streifen dominieren. Mittendrin, die Kamera als stiller Beobachter. Ungeschönt und wertefrei. „Anomalisa“ ist eine kleine Ode an die Menschlichkeit. Tragikomisch, berührend und entlarvend. Wie die Hauptfigur schön subsummiert: „Sometimes there’s no lesson. That’s a lesson in itself.“, bleibt auch bei „Anomalisa“ der Weg das Ziel. Einzelne, auflockernde Abstecher in groteske Comedy bleiben die Ausnahme, es ist das Gesamtbild das stimmt. Ach ja, die Hauptdarsteller sind alles Puppen, meisterhaft von Stop-Motion-Künstler Duke Johnson in Szene gesetzt. „Anomalisa“ ist nach „Mary & Max“ der zweite, gelungene Animationsfilm explizit für Erwachsene.

rating_4

These Final Hours (2014)

Weltuntergang, Ausgabe Hundert. Wiedermal geht unser Planet vor die Hunde und wiedermal zeigt ein Film, wie sich Menschen mit der anstehenden Apokalypse arrangieren. Doch aufgepasst ihr Judgement-Day-Überfressenen, „These Final Hours“ ist durchaus einen Blick wert. Eigenständig positioniert sich der australische Streifen gekonnt neben „The Road“, „Melancholia“ und Konsorten. Im Mittelpunkt steht der von Nathan Phillips (Wolf Creek) verkörperte James. Die Welt geht in ein paar Stunden den Bach ab und er macht sich auf, um an der Weltuntergangsparty seines Freundes teilzunehmen. Ausgestorbene Dörfer und herumliegende Tote pflastern den Road-Trip in die Apokalypse. Ein Kind in Not lässt ihn aber von seinem Plan abweichen. Soweit so mittelmässig. Der Weg ist aber auch hier das Ziel, und dieser Weg hat es in sich. Die Cinematography berauscht. Regisseur Zak Hilditch schafft es, dass seine Bilder schockieren und sich nachhaltig in Kopf des Betrachters brennen. Er stellt mit „These Final Hours“ der Menschheit ein ungenügendes Zeugnis aus. Nebst den obligatorischen Meucheln und Rauben dominieren in diesem Streifen Narzissmus und Egoismus. Eine Orgie folgt der nächsten, Drogen werden auf Überdosis-komm-raus verschlungen, „Deer Hunter“-Games zelebriert etc. – der Zuschauer ist eigentlich froh, geht es mit diesem hedonistischem Pack verlorener Seelen zu Ende. Trotzdem, wenn sich die Resignation und die Erleuchtung der Darsteller zu gleichen Teilen auf den Klimax hochschaukeln, sind wir doch ein wenig traurig, dass diese Welt (und der Film) ihr vorzeitiges Ende findet. Ein kleiner Geheimtipp.

rating_3halb

A Perfect Day (2016)

Bosnien Ende 90er. Das Land steckt in den Nachwehen des Balkankonflikts. Benicio Del Toro (Sin City, Traffic, The Usual Suspects ), Tim Robbins (The Shawshank Redemption, Jacob’s Ladder, Erik the Viking) und Olga Kurylenko (Quantum of Solace) spielen Hilfsarbeiter der humanitären Organisation „Aid Across Borders“ und haben die Aufgabe gefasst, eine Leiche aus einem Dorfbrunnen zu fischen, damit der verwesende Kadaver das Trinkwasser nicht verseucht. So vermeintlich einfach die Ausgangslage, so verzwickt die Lösungsfindung. Wie schon beim grandiosen, 2001 erschienenen No Mans‘ Land sind es wiederum die Blauhelme, die auch in „The Perfect Day“ nicht besonders gut weg kommen. Bürokratie geht immer vor Verstand. Besonders in Kriegszeiten. Der Film des spanischen Regisseurs Fernando León de Aranoa (Los lunes al sol) belichtet einen Tag im Leben dieser Hilfsarbeiter. Mit sarkastischem Humor weicht er das düstere Grund-Setting auf, verliert sich im Mittelteil kurz in belanglosem Beziehungskram, um mit einem bissigen und trotzdem ernüchternden Schluss den Film abzuschliessen. DelToro/Robbins sind auch in „The Perfect Day“ sichere Werte und verleihen ihren Figuren Charme. Der Streifen selbst unterhält und lädt zu gelegentlichem Schmunzeln ein. Obwohl der kritische Blick auf Kriegsschauplätze abseits der Schlachtfelder immer wieder erfrischend ist,  rüttelt er schlussendlich doch zu wenig auf und bleibt ähnlich blass wie die aufgedunsene Wasserleiche. Solides Sonntags-Nachmittags-Kino.

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